|
|
|
|
|
Es war einmal ein kleines süßes Mädchen, die hatte jedermann lieb, der es nur ansah. Am allerliebsten aber hatte es seine Großmutter, die wußte gar nicht, was sie dem Kind alles geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Samt, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines
Tages sprach seine Mutter zu ihm: »Komm, Rotkäppchen,
da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das
der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird
sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und
wenn du hinauskommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht
vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die
Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so
vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und guck nicht erst in
alle Ecken herum.« Der
Wolf dachte bei sich: »Das junge zarte Ding, das ist ein
fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte: Du
mußt es nur listig anfangen, damit du beide schnappst.«
Er ging ein Weilchen neben Rotkäppchen her, dann sprach er:
»Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die
ringsumher stehen, warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du
hörst gar nicht, wie lieblich dieVöglel singen? Du
gehst ja dahin, als wenn du zur Schule gingst. Dabei ist`s so
lustig daußen im Wald.« Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Tür. »Wer ist draußen?« »Rotkäppchen. Ich bringe dir Kuchen und Wein, mach auf.« »Drück nur auf die Klinke«, rief die Großmutter, »ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen. « Der
Wolf drückte auf die Klinke, die Türe sprang auf, und
er ging, ohne ein Wort zu sprechen, ging er gerade zum Bett der
Großmutter und verschluckte sie. Dann zog er ihre Kleider
an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die
Vorhänge . »Guten
Morgen«, rief Rotkäppchen, bekam aber keine Antwort.
Darauf ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück. Da
lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht
gesetzt und sah so wunderlich aus. Rotkäppchen fragte:
Großmutter, was hast du für große Ohren!«
»Daß ich dich besser hören kann.«
Großmutter, was hast du für große Augen!«
»Daß ich dich besser sehen kann.« Großmutter,
was hast du für große Hände« »Daß
ich dich besser packen kann.« »Aber, Großmutter,
was hast du für ein entsetzlich großes Maul!«
»Daß ich dich besser fressen kann.« Kaum hatte
der Wolf das gesagt, tat er einen Satz aus dem Bett und
verschlang das arme Rotkäppchen. »Finde ich dich hier, du alter Sünder?« Fragte er. »Ich habe dich lange gesucht. « Nun wollte er seine Gewehr anlegen, da fiel ihm ein, der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben und sie wäre noch zu retten: Er schoß nicht, sondern nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Als er ein paar Schnitte getan hatte, sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: »Ach, wie war ich erschrocken, wie war's so dunkel in dem Leib des Wolfs! Und
dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus und
konnte kaum atmen. Rotkäppchen aber holte schnell große
Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und als er
aufwachte, wollte er fortspringen. Aber die Steine waren so
schwer, daß er gleich niedersank und tot liegenblieb.
|
|
|
|